Liebe Mitbewohner:innen!

Was nützt der Verstand, wenn das Herz nichts mitkriegt. Dass die „Dreckigen Drei“ – Erdöl, Erdgas und Kohle – unsere Welt befeuern, unseren Wohlstand erst möglich machen, wir ihnen aber auch ausgeliefert sind, weiß der Verstand schon lange – aber im Bauch ist das erst mit dem Krieg in der Ukraine als Schlag in die Magengrube angekommen. Kalte Wohnungen, kostspieliger Diesel, immer teurere Nahrungsmittel. Mit einem Mal sind wir aufgeschreckt und wollen nur mehr raus aus der gefährlichen Abhängigkeit von Russlands Energie. Das ist der Moment, einen ruhigen Kopf zu bewahren. Wenn der Rauch verzogen und der schreckliche Krieg hoffentlich irgendwann vorbei ist, werden wir anhand von Dürren, Waldbränden und Überschwemmungen erkennen: Der Klimawandel ist noch da.

Die Dreckigen Drei machen das Klimaproblem

Gas aus Russland nicht einmal nicht anzusehen, wie die Wiener:innen sagen, ist der richtige Weg. Das russische Gas aber durch beispielsweise amerikanisches Flüssiggas zu ersetzten, heißt den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Gas ist Gas, es schwingt kein nationales Fähnchen. Wenn es verbrennt, egal woher es kommt, entsteht das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2). Punkt. Das Ziel muss also sein, so schnell wie möglich vom Erdgas loszukommen. Für Erdöl und Kohle gilt selbstverständlich das Gleiche. Fakt ist: Unser fossil betriebenes Energiesystem erwärmt seit Generationen die Erde. Das ist aber weder ein ehernes Gesetz noch eine gottgegebene Ordnung. Im Gegenteil, es gibt Energiesysteme, die man in Einklang mit der Natur bringen kann. Wir haben die Mittel und die Wege. Wir müssen es nur tun.

 Wo gibt es was zu tun? Überall.

Zu tun ist überall etwas. Die nationale Treibhausgasinventur des Umweltbundesamtes spricht eine klare Sprache. Jeder Lebensbereich steuert sein großes oder kleineres Scherflein zu Österreichs 79,8 Millionen Tonnen CO2 bei: Angefangen beim Sektor Energie und Industrie über Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft bis zu fluorierten Gasen – in dieser Reihenfolge. Jeder Sektor muss in Zukunft CO2 einsparen, hat aber seine eigenen Probleme und Befindlichkeiten.

Energie und Industrie – und eine geniale Idee

Energie und Industrie tragen mit 44% den Löwenanteil zu unserem nationalen Treibhausgas-Ausstoß bei. Ein Problem, vor dem im Grunde alle Industrienationen stehen. Schon 2005 hat die EU deswegen ein Verfahren, den „CO2-Emissionshandel“, eingeführt. Vom spröden Namen bitte nicht abtörnen lassen, das Verfahren hat es faustdick hinter den Ohren. Es ist ein sogenanntes „Cap and Trade“-Verfahren, das in den 70ern in Amerika zur Verbesserung der Luftqualität entwickelt wurde. Die Idee ist genial: Zuerst wurden die CO2-Emissionen der Staaten ermittelt und dann für ganz Europa gedeckelt (Cap). Daraus ergab sich eine festgelegte Anzahl an Zertifikaten und diese wurden nach einem Schlüseel an die verschiedenen Nationen aufgeteilt. Hat nun ein Staat oder ein Betrieb mit seinen Zertifikaten kein Auskommen und produziert zu viel Treibhausgas, kann er einer drohenden Strafe ausweichen, indem er von einem anderen Betrieb – der es schafft, CO2 einszusparen – Zertifikate abkaufen (Trade). So wird gewährleistet, dass Betriebe, die Kohlendioxid müheloser einsparen können als andere, anfangen sauberer zu arbeiten. Dadurch verdienen sie Geld und die Wirtschaft als Gesamtes wird dadurch am wenigsten belastet. Ist genial und funktioniert. Ein praktisches Beispiel: In der Papierindustrie können und werden alte Papiermaschinen durch neue ersetzt, die mit effektiveren Kesseln bis zu 70% an Energie einsparen. In der Zementerzeugung ist es dagegen deutlich schwerer, sich von den ca. 800 Kilogramm CO2 pro Tonne Zement zu lösen. Das Zementwerk kauft also Zertifikate vom Papierwerk zu, um einer Strafe zu entgehen. So lange, bis es selber ein besseres Verfahren entwickelt hat. Im Übrigen – und das ist sehr wichtig – können Betriebe und Staaten auch Zertifikate von Entwicklungsländern zukaufen und so vor Ort eine nachhaltige und klimafreundliche Entwicklung fördern.  Die Allianz für Entwicklung und Klima hat sich der Zusammenführung von Betrieben mit Projekten in Entwicklungsländern verschrieben. Aus dem einfachen Grund, dass der Klimawandel speziell ohne Afrika nicht zu bremsen ist.

Und jetzt die Daumenschrauben

Zurück zu den Zertifikaten, wir müssen den Emissionshandel noch zu Ende denken: Im Laufe der Zeit würden in diesem Handel die Zertifikate wertlos werden, weil sich am Ende alle Betriebe verbessern und ihre Zertifikate gar nicht mehr ausschöpfen müssen. Quasi eine Inflation. Der Anreiz sich zu verbessern würde fehlen. Damit wäre das Ziel der EU – bis 2050 auf null Emissionen zu kommen – nicht zu schaffen. Wie wurde das gelöst? Man zieht kontrolliert die Daumenschrauben an: Um die Situation unter Spannung zu halten wird ganz einfach das Cap, die Deckelung, runterfahren, indem man dem Markt nach vorgegebenem, öffentlichem Plan Zertifikate entzieht. Unter dem Strich sind mit dem Emissionshandel (EH) 38% unserer nationalen CO2-Emissionen in guten Händen. Aber was ist mit den 62% unserer restlichen Emissionen? 

Problemkind Verkehr

Wenn wir nun den Rest unserer Emissionen begutachten, also die 62%, für die es keinen Emissionshandel (EH) gibt, zeigt sich ein völlig anderes Bild: Beinahe die Hälfte der Emissionen stammen aus dem Verkehr. Die restliche Hälfte teilen sich Gebäude und Landwirtschaft, der 7%-Rest aus Industrie und Energie, die nicht dem Emissions-Handel (EH) zuzuordnen sind, sowie in geringen Teilen Abfallwirtschaft und der Sektor der fluorierten Gase auf.

Der Vergleich der aktuellen Emissionen mit dem Jahr 1990 stellt dem Verkehr ein besonders schlechtes Zeugnis aus.  Der Verkehr ist der einzige Sektor, der massiv an Auspuffgasen zugelegt hat: um 10 Millionen Tonnen, das sind über 40 Prozent. Alle anderen Sektoren (bis auf den kleinen Balken bei den fluorierten Gasen) haben in den vergangenen knapp 30 Jahren Emissionen eingespart. Zum Glück sind die Wege zur Abnabelung von den Treibhausgasen vorgezeichnet: Der Verkehr muss über Elektrizität und Wasserstoff auf null kommen, Gebäude müssen besser isoliert werden, weniger Fleisch muss produziert und Pflanzenkohle in die Böden eingebracht werden, die Müllverbennung muss reduziert und eine Abkehr von fluorierten Gasen ermöglicht werden. Um das zu unterstützen, führt Österreich eine CO2-Steuer ein. Nach Ausagen von Wirtschaftsexpert:innen ist sie jedoch noch zu klein, um tatsächlich effektiv zu sein. Aber zumindest ist es ein Anfang.

Akute Krisenherde haben zu Recht Vorrang. Aber der Klimawandel ist gekommen, um zu bleiben. Ihm ist nur mit einer durchdachten und nachhaltigen Energiewende beizukommen.

Liebe Mitbewohner:innen, lasst uns das tun!