„Are you a feminist?”, kommt von Ministerin Gewessler ohne Vorwarnung. Die Frage war nicht ausgemacht.
„Yes!”, antworte ich wie aus der Pistole geschossen, ohne nachzudenken. Wenn man zwei Töchter hat, scheint man irgendwie automatisch zum Feministen zu werden.
Müssen wir das Patriarchat zerschlagen?
Das war die provokante Ausgangsfrage der Session „Smash Patriarchy?“ in Alpbach. Müssen wir das Patriarchat tatsächlich zerschlagen? Müssen wir Gewalt anwenden und vorübergehend ein Matriarchat einführen, um die größte Aufgabe der Menschheit zu bewältigen – nämlich die CO2-Emissionen zu reduzieren um am Ende den Planeten für uns zu retten? Es wurde ein wunderbarer Vormittag. Nicht einmal der Dauerregen draußen störte.
Der Rahmen war intim, aber im randvollen Liechtensteinsaal war von der ersten Sekunde an klar, dass an diesem Morgen etwas ganz Besonderes passieren würde. Und wie. Anna Mendelssohn, eine vielfach prämierte Performance-Künstlerin, legte ein derart wuchtiges Schauspiel hin, dass am Ende nicht nur das Grünzeug zerrupft am Boden lag – auch mein bisheriges Verständnis von Patriarchat, Feminismus und ein paar anderen Dingen kriegte Beulen ab. Aber Mendelssohn hatte nicht nur mir zugesetzt – auch den anderen, das konnte ich in ihren Augen sehen. Neben den zu erwartenden jungen Frauen, waren auffallend viele Ü50-Männer zugegen.
„Mein bisheriges Verständnis von Patriarchat, Feminismus und ein paar anderen Dingenkriegte Beulen ab“
Dann ging die eigentliche Session los – und zwar in völlig verkehrtem Setting: Normalerweise spricht da eine Gruppe von „ganz wichtigen“ Männern und eine Frau darf zwischendurch moderieren. Im Liechtensteinsaal aber, hatten durchwegs spannende, gescheite, in ihrem Fach herausragende Frauen das Wort, und ich durfte als Moderator zwischendurch etwas anmerken.
Die zentrale Frage, die über allem stand: Geht beim Klimawandel nur deswegen nichts voran, weil patriarchale Strukturen es verhindern? Weil man patriarchale Futtertröge zerschlagen müsste?
Aus der zentralen Frage wurden drei Fragen abgeleitet:
- What can we do to empower people to stand up against patriarchal structures?
- Do we need Matriarchy?
- How do we get people out of their comfort zone so that they change their behaviour?
Darüber wurde nun an fünf Tischen diskutiert: Für das Thema Justiz war Michaela Krömer geladen – bekanntgeworden durch die Klima-Klage von Kindern gegen die Republik Österreich. Der Politiktisch wurde von der äußerst versierten Pia Nagl vom Klimaministerium geleitet. Am Startup-Tisch führte die Newcomerin in der Startupszene Laura Raggl durch die Diskussion. Am ebenfalls spannende Tisch zur Zivilgesellschaft hatte die erfrischenden Kathy Wiese aus Brüssel das Heft in der Hand. Und den letzten Tisch, der sich dem Thema Klimakommunikation drehte, durfte ich leiten.
„Die gesamte Verkehrsplanung wird immer noch von Männern für Männer gemacht.“
Schnell stellte sich an meinem Tisch heraus, dass es ganz speziell männliche Verhaltensweisen sind, die CO2 verursachen. Männer haben öfter CO2 intensive Lebensstile, nicht nur weil sie oft reicher sind. Verkehr zum Beispiel ist absolut männlich. Die gesamte Verkehrsplanung wird immer noch von Männern für Männer gemacht. Und Männer sind beim Backlash, den wir gerade in der Klimadiskussion der Lösungen erleben an vorderster Front.
Elon Musk machte Elektroauto erfolgreich, weil er sie im männlichen Sinne „sexy“ machte. Mehr PS und schneller als ein Porsche. Damit wurde die männliche Kundschaft eingefangen. Nur leider führt das in die Sackgasse. Den Antriebsstrang in den Autos von fossil auf elektrisch umzustellen, löst das Klimaproblem des Verkehrs nicht, es verlagert ihn nur.
„…ob wir tatsächlich für eine gewisse Zeit ein Matriarchat einführen müssen?“
In der Folge wurde heftig diskutiert, ob wir tatsächlich für eine gewisse Zeit ein Matriarchat einführen müssen? Die Meinung der meisten lag irgendwo in der Mitte. Auf jeden Fall weniger Patriarchat und mehr Matriarchat. Unter dem Strich so irgendwie das Ergebnis des Film-Blockbusters Barbie, den die Frau Ministerin Gewessler uns ans Herz legte.
Interessanterweise sind wir da einer Meinung: Für Menschen, die sich viel mit Feminismus oder Gender auseinandersetzen ein langweiliger zu wenig in die Tiefe gehender Film – für Menschen, die damit weniger zu tun haben (die breite Masse) durchaus ein wichtiger eye opener zum Thema toxische Männlichkeit (und vielleicht auch Weiblichkeit).
„Der Eisbär auf der Scholle hat als Bild ausgedient!“
Aber zurück zum Thema an meinem Tisch: Klimakommunikation. Die derzeitigen drei zentralen Herausforderungen einer erfolgreichen Kommunikation sind für mich:
- Shifting the comfort zone – wer es schafft, seine Komfortzone zu verschieben, wird mit einem besseren Leben belohnt. Zum Beispiel Auto versus Klimaticket. Davon müssen wir die Menschen überzeugen.
- Tell positive stories – weg von den Weltuntergangsgeschichten, hin zu Lösungserzählungen. Der Eisbär auf der Scholle hat als Bild ausgedient.
- Build trust – wir müssen wieder auf Augenhöhe kommunizieren und Vertrauen aufbauen. Aus der Anti-Corona-Stimmung darf keine Anti-Klima-Stimmung werden. Vielleicht das größte Problem derzeit.
Mein Fazit:
Die patriarchalen Strukturen stehen im Kampf gegen den Klimawandel aktiv auf der Bremse stehen, weil sie etwas zu verlieren haben – aber noch schlimmer: Wir stehen ganz persönlich passiv auf der Bremse – solange patriarchales, männliches Denken unreflektiert in unseren Köpfen existiert. Eine Prise Matriarchat kann uns nur guttun. Wir haben beim Klimawandel nur eine Chance, wenn wir die Veränderung in unseren Köpfen schaffen.